Graz

Doppelturnhalle BRG-Kepler

1991-92
1987 Wettbewerb 1.Preis

Der berühmte Astronom Johannes Kepler verbrachte eine Zeitspanne seines Lebens in Graz. Nach ihm ist eines der größten und bedeutendsten Gymnasien der Stadt benannt. Es wurde um 1000 gebaut und liegt direkt an der Kepler-Brücke, die im Verlauf der Kepler-Straße das rechte mit dem linken Murufer am Fuße des Grazer Schloßberges verbindet. Die L-förmige Anlage des Gebäudes mit Mittel- und Eckrisaliten umschließt an zwei Seiten einen Schulhof, der gerade so groß ist, daß er die L-Form des Gebäudes zu einem Rechteck schließt. Dieser Schulhof war nie eine Freifläche für schulische Aktivität, sondern immer Verkehrsfläche und Abstellplatz. Der ursprüngliche Hauptzugang zur Schule lag an einer der verkehrsreichsten Straßen der Stadt und musste geschlossen werden. Das Foyer dahinter verlor dadurch seine repräsentative Funktion.

Es war Aufgabe des 1987 ausgeschriebenen, und von Volker Giencke gewonnenen Wettbewerbes, einen neuen Hauptzugang, einen eigenen Verwaltungstrakt und eine Doppelturnhalle zu entwerfen. Da die Doppelturnhalle exakt die Größe des Schulhofes einnahm, verlegte sie Giencke unter die Erde, und adaptierte den Schulhof als Court d’Honneur für den neuen Eingang, als Pausenfläche und Sportfläche im Freien.
Für den neuen Hauptzugang schlug Giencke eine Stahl-Glas-Konstruktion an der Südseite des Hauptstiegenhauses vor, für die Erweiterung der Verwaltung und Direktion eine offene Stahlkonstruktion in Verlängerung der Ostfassade. Weder der neue Hauptzugang noch der Erweiterungsbau sind bis heute ausgeführt. Der Schulhof ist ein Provisorium geblieben. Die Planung für den Dachgeschossausbau, die im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes an Giencke vergeben wurde, wurde gestoppt und eine Triviallösung verwirklicht. Einzig und allein die Doppelturnhalle ist nach den Plänen Gienckes gebaut. Sie stellt einen bemerkenswerten unterirdischen Hallenbau dar. Obwohl gut zehn Meter tief, hat man nie das Gefühl, unter der Erde zu turnen. Das Tages- und Sonnenlicht, das durch vier breite Glasschlitze von oben in den Raum fällt, reicht aus, um die Turnsäle zu erhellen, und vermittelt eine überraschend angenehme räumliche Atmosphäre. Dabei wurden die Lichtschaufeln, die das Tageslicht zur weiß gestrichenen Deckenuntersicht umlenken und von dort auf die Saalebene werfen sollten, gar nicht ausgeführt. Zwischen den beiden Turnsälen liegen zweigeschossig die Serviceeinrichtungen.
Im ersten Untergeschoss liegen die Garderoben und Umkleiden zwischen den Zugangsgalerien links und rechts der geschlossenen Baukörper. Es ist eine Brückenkonstruktion, die die Verbindung des Stiegenhauses mit dem Stiegenabgang aus dem Schulhof herstellt. Belichtet wird das Ganze von zwei großen Lichtkegeln über elliptischem Grundriss. Die Ellipsenform wurde gewählt, um jeweils mit einem Oberlicht Umkleide, Waschrpaum und WCs belichten zu können. Eine frei in den Raum gehängte Treppe führt auf die Ebene der Turnsäle und der Geräte- und Technikräume. Die Dreiteilung der unterirdischen Halle sieht jeweils einen Turnsaal vor, links bzw. rechts des Servicetraktes in der Mitte. Die Doppelturnhalle ist direkt über das bestehende Hauptstiegenhaus erreichbar, und an einen Schacht für einen späteren Liftbau angeschlossen. Für außerschulische Zwecke - die Turnsäle sollten außerhalb der Schulzeit als Sporthalle für den gesamten Stadtbezirk dienen - führt eine breite Außentreppe auf das Niveau der Garderoben und Umkleiden. Die Treppe ist mit einem Dach aus Edelstahlblechen eingedeckt, wobei die einzelnen Blechstreifen wie Leintücher über Rundrohre gelegt sind. Die Rundrohre stecken in einer seitlichen Betonwand. Die Konstruktion ist faszinierend einfach gedacht und überzeugt, auch wenn sie nicht dem Original entsprechend ausgeführt wurde.

Das Wettbewerbsprojekt sah eine einzige, allerdings teilbare Halle vor, da die Schule über keinen Festsaal und keine Aula verfügt. An den Schmalseiten waren über den Garderoben und Geräteräumen Zuschauertribünen eingerichtet. Die Großzügigkeit dieser Lösung konnte nicht verwirklicht werden. Giencke versuchte durch die optische und räumliche Durchlässigkeit des mittleren Baukörpers (Garderoben etc.) die ursprüngliche Idee von einer einzigen Halle spürbar zu machen. Leider wurde später zur bestehenden Lüftungsanlage eine Klimaanlage eingebaut, die die gesamte Höhe der Öffnung zwischen der Untersicht der Hallendecke und der Zwischendecke über den Garderoben beansprucht. Auf Grund der konstanten Umgebungstemperatur von +13°C wird es nicht notwendig sein, diese Klimaanlage je in Betrieb zu nehmen. Im Gegenteil: Die tiefe Lage des Turnsaales, die Erdwärme der Umfassungswände und ihre Speicherkapazität ermöglichen einen Niedrigenergiebetrieb, ohne Kühlung im Sommer und mit niedrigen Heizkosten im Winter. Einzig und allein ein ausreichender Luftwechsel muß gewährleistet sein.

Bei der Konstruktion der Halle wurden Stahlbeton-Schlitzwände bis zum Fels geschürft. Das Tragwerk der Turnsaaldecken sind 250 mm hohe I-Profil-Träger, die diagonal die rechteckigen Sportflächen überspannen. Die Stahlbetondecke wurde zwischen die I-Profile eingegossen. Als Bewehrung wurden Stahlbügel in die I-Profile eingeschweißt und mit der Bewehrung der Stahlbetondecken verbunden. Kreuz und quer gespannte Zugstähle, die das vergleichsweise leichte Tragwerk vor Durchbiegung schützen, sind an den Knotenpunkten mit einfachen Blechlaschen auf die Druckstäbe gesteckt. Die Auflager des Stahltragwerkes sind entsprechend der Einleitung der Zugkräfte aus Stahlblechen geschweißte Konstruktionen. Vier breite Glasstreifen, ein Verbund mit einem Zweischeibenisolierglas, belichten die Turnhallen und ermöglichen die Befahrbarkeit der Hoffläche mit LKWs bis zu 25 t Gewicht.